Archiv für den Monat: Oktober 2014

Quittenmania

Der Herbst hat sich in unserem Garten niedergelassen. Selbstbewusst vertrieb er den Sommer und als Wiedergutmachung malte er die Büsche und den Baum bunt an. Es sieht schön aus und deshalb habe ich ihn gewähren lassen. Trotz der dürren Blätter, die er stets vom Garten des Nachbarn zu uns rüber pustet. Dafür hat er sich hervorragend um die Früchte unseres Quittenbaumes gekümmert. Liebevoll hat er jede einzelne Quitte in ein tiefes Gelb verwandelt und sie in ihrem Wachstum bestärkt. Was für eine Pracht!

Gefühlte 100 Kilo durften wir dieses Jahr wieder ernten. Voller Euphorie habe ich mich in der Küche ans Werk gemacht. Marmelade, Gelee, Chutney, Kuchen, Mus oder was es auch immer werden sollte. Inzwischen sind drei Tage vergangen und ich könnte, gelinge gesagt, diese Quitten auf den Mond schiessen! Egal wie viele Marmeladengläser bereits das Regal zieren, die Quitten werden optisch nicht weniger. Mein Vorstoss, dieses gelbe Obst im Freundeskreis zu verteilen, stiess teilweise auf Ablehnung. Die Arbeit sei zu aufwendig. Nebst dem Gärtner, der kistenweise Quitten mitgenommen hat, konnte ich auch meine Nachbarn für die tolle Frucht begeistern. Wie mein Sohn jedoch festgestellt hat, logieren die Quitten seither auf deren Terrasse und schauen in eine faulige Zukunft.

So befinde ich mich immer noch im Quitten-Verarbeitungswahn. Leichter Ärger löst die anfängliche Euphorie ab, während ich über Nacht die Quitten im Topf ertränke. Am nächsten Morgen versuche ich, um den Dingern Saft zu entziehen, sie mittels eines Tuches zu erwürgen. Dies gelingt mir nicht schlecht und das gekochte Endprodukt lässt sich geniessen. Meinem Kriegsbeil fallen tagelang unzählige Quitten zum Opfer, doch die Küche duftet herrlich nach Herbst. Na ja, vielleicht ein wenig zu sehr… Als ich während einer entspannenden Massage dem Physiotherapeuten von meinem Quittendilemma erzähle, meint der gute Mann erleichtert: “Jetzt weiss ich, woher dieser Duft kommt! Sie riechen nach Quitte! Falls sie ein Glas übrig haben, bin ich gerne ein Abnehmer.” Du meine Güte, ich bin zur Quitte mutiert!

Eben oder oder?

Wer kennt sie nicht, diese kleinen Füllwörter? Und, oder, doch, eben etc.

Ich bin gegenwärtig mit dem ´Eben-Virus´ infiziert. Heimtückisch hat es mich erwischt, irgendwann. Genau so, wie´s wahrscheinlich einer Bekannten von mir mit dem ´Oder-Virus´ erging. Jeder Satz wurde mit einem fragenden ´Oder?´ abgeschlossen. Wenn´s ganz akut war, pflanzte sie sogar mitten in den Sätzen ein ´Oder´ rein. Hat man sich dann hörtechnisch daran festgebissen, kam es einem vor, als hätten die ´Oders´ die Sprachherrschaft übernommen. Ziemlich fies und nervig diese kleinen, penetranten Wörter. Es ist schwer, sie wieder loszuwerden, oder? ´Okay´ ist auch eines davon. Zum Glück nicht meines. Ich habe mein ´Eben´. Dieses ´Eben´ schleicht sich immer dann ein, wenn ich das Gesagte meines Gesprächsgegenübers bestätigen will. Ich möchte damit nur zum Ausdruck bringen, dass ich gleicher oder ähnlicher Meinung bin.

Mein Mann und ich reden hochdeutsch miteinander. Eine gute Gelegenheit, meinen Wortschatz zu vertiefen. Trotzdem ist es so, dass mir der Schnabel auf schweizerdeutsch gewachsen ist. Manches würde ich in der angestammten Sprache natürlich besser und eingehender formulieren können. Ist mein Gehirn überlastet, schaltet es automatisch auf den ´Eben-Modus´ um. Statt mich mit eigenen Worten mitzuteilen, bestätige ich kurz und bündig mit einem ´Eben´. Dieses Eben drängt sich zudem eidgenössisch über die Lippen. Ein dickes ´Äbä´ ist zu vernehmen. Seit mir dieser Umstand aufgefallen ist, höre ich andauernd ein ´Äbä´ aus mir rauspurzeln. Das stört mich gewaltig und erinnert mich an das oben erwähnte Oder-Problem. Ich will das Äbä wieder loswerden!

Also platziere ich es hier in meinen Blog.

ÄBÄ

Da steht es nun und wer will, kann es gerne übernehmen. Ich auf jeden Fall habe keine Verwendung mehr!

Brezenknödel und Airbags

Ich war schon als Kind gegenüber kulinarischen Genüssen auffällig offen gesinnt. Zudem hatte ich das Glück, dass mein Leibesumfang – trotz ausschweifender Gelage – barmherzig mit mir umging. Ich konnte essen, was ich wollte und brachte es stets fertig, das Ganze in die selbe Hose zu zwängen. Mittlerweile bin ich im Mittelalter angelangt und mein Körper findet, dass man dies nun auch optisch ins entsprechende Licht rücken sollte. Im Klartext heisst das: Er breitet sich aus und zwar genau da, wo ich es nicht haben will. Er schmückt sich mit Airbags rund um den Bauchnabel und versieht meine Unterarme mit zusätzlichen Polstern, die jeweils freundlich nicken, wenn ich jemandem zuwinke.

Seit ich in Bayern lebe, ist es unmöglich den BMI (Bodymassindex) auf einem gesunden Level zu halten. Vor allem, wenn man ein Genussmensch ist. Während Restaurantbesucher in der Schweiz Unsummen für ein gedämpftes Rüebli und drei Nudeln bezahlen, häufen sich die Speisen auf den bayrischen Tellern. Krustenbraten suhlt sich in der Schwammerlsosse neben dem Rotkraut, während die Brezenknödel versuchen, das Ganze in Schach zu halten. Mengenmäßig könnte sich eine ganze Familie davon ernähren. Wiederum ist es meine Höflichkeit, die diese Nahrungspracht vollständig verspeisen lässt. Andere leiden Hunger, also wird aufgegessen. Als weiteres Argument füge ich gerne im Schweizer Jargon an: “Es isch eifach fein!” Wenn dann der Inhalt des Tellers in Richtung bereits erwähnter Airbags verschwunden ist, macht sich der Durst bemerkbar. Da versteht es sich doch von selbst, dass ich diesen mit einem Russen lösche, sprich 1/2 Liter Weissbier mit Limonade.

Zusammenfassend hat nicht mein fortschreitendes Alter, sondern Bayern mit seiner deftigen Küche mit der Veränderung meiner Silhouette zu tun! Also habe ich mich entschlossen, ernährungstechnisch einzugreifen. Ich verlasse mich auf meine eigene Kocherei. Ich fülle Cannellonihüllen mit Ricotta und Spinat, paniere Putenschnitzel, stampfe Kartoffel oder rühre Kokusmilch in die Kürbissuppe. Nebenbei werden neue Tortenrezepte ausprobiert. Soweit so gut und im Bereich der Kalorien etwas akzeptabler, wäre da nicht meine nervige Angewohnheit, die Reste zu vertilgen. Wie´s scheint, bleibt nur noch die Alternative Sport zum Erreichen einer Bikinifigur. Da habe ich aber bereits zwei Gegenargumente parat: Erstens ist die Sommersaison vorbei und zweitens habe ich mir ein Rückenleiden zugezogen. Also gebe ich mich geschlagen. Ich bin und bleibe ein Genussmensch: En Guete!

Nebel

Wer schleicht in Schwaden und geduckt,
um die Häuser und verschluckt,
all jenes, was im Wege steht,
dass keiner weiss, wo man geht?
Haucht an mit seinem kalten Atem,
die streunende Katze in dem Garten.
Küsst heimlich Menschen, er ist schlau
und zaubert auf deren Haare Tau!
Ist nicht scheu und verweilt sehr gerne,
vergällt unsere Blicke in die Ferne.
Verhöhnt den Tag mit grauer Blässe
und verstreut von seiner Nässe.
Es ist der Nebel, der Querulant,
der um die Psyche zurrt ein Band,
der Menschen hält zu Hause fest
und die Sonne nicht eingreifen lässt!
So müssen wir ihn halt ertragen,
an diesen düsteren, dunklen Tagen!

Kebab und Schuhputzer

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Da wo sich Europa und Asien küssen, da küssen wir uns auch und zwar mitten auf dem Bosporus. Mein erkälteter Göttergatte und meine Wenigkeit verbringen ein Wochenende in Istanbul. Ein Geburtstagsgeschenk von ihm an mich. Was mich in dieser orientalisch angehauchten Stadt erwarten würde, wollte ich schon immer wissen.

Angefangen hat das Abenteuer mit einer zweistündigen Wartezeit in dem ausgesessenen Sitz eines türkischen Flugzeuges. Erwähnenswert waren die für uns wenig informativen Durchsagen auf türkisch. Der Pilot bemühte sich zwar diese Informationen in einer quasi stenotypen Version von Englisch wiederzugeben. Infolge des unverständlichen Genuschels desselbigen war es hörtechnisch nicht klar, was genau er uns sagen wollte. Die lange Wartezeit könnte sich auf den dichten Nebel beziehen, mutmaßten wir. Zum ‘fremdschämen’ der Applaus, als die Turbinen endlich aufheulten und leider das selbe dämliche Ritual bei der Landung. Istanbul, wir sind hier!

Gutgelaunt stiegen wir ins erste, gelbe Taxi und gaben dem Fahrer die Adresse unseres Hotels. In nahezu atemberaubendem Enthusiasmus kurvte der Fahrer in Richtung Stadt, während er dauernd am Handy rum tippte. Meine Vermutung, er würde sich mit seiner neuen Errungenschaft austauschen, wurde im Keim erstickt. Der Taxifahrer hielt uns plötzlich sein Telefon unter die Nase. “pfund dollar euro lira”, stand da. Aha, er wollte wissen, in welcher Währung wir zu zahlen gedachten. “We pay in Lira”, war unsere Antwort. Ratlosigkeit bei unserem Chauffeur, was ihn wohl zu einem Anruf veranlasst haben musste. Denn kurz nach dem Gespräch tippte er weiter, während er bedrohlich nahe an der Stoßstange eines anderen Verkehrsteilnehmers zum Halten kam. Wir durften erneut auf seinem Handy lesen: ’30 Pfund Taxi Fare!’ Totale Irritation unsererseits! War es möglich, dass man uns bereits über den Tisch, resp. übers Lenkrad ziehen wollte? Nicht mit uns! Wir bezahlten nach Taxameter und haben dem leicht verärgerten Fahrer für seine unehrenhaften Bemühungen dennoch 5 Lira Trinkgeld gegeben.

Nachdem wir das Hotelzimmer bezogen hatten, führte uns der Weg unvorhergesehen direkt in eine Shoppingmeile von Istanbul. Wahnsinnig viele Leute bevölkerten plötzlich die Straße. Restaurants, Kleidergeschäfte, fahrbare Essstände, Süsswarenläden soweit das Auge reichte. Von Zeit zu Zeit durchtrennte eine altertümliche, rote Tram die Meschenmengen. Der Duft nach Essbarem hat uns dann natürlich zum Verzerr eines Kebabs verleitet, dessen Inhalt ich leider ziemlich schnell auf meiner Jacke wieder gefunden habe. Die nett gemeinte Wegwischaktion meines geliebten Ehemannes haben das Übel noch vertieft. Gut war das Kebab trotzdem. Auch türkischer Honig in jeglichen Geschmacksrichtungen haben wir probiert und die kulinarischen Errungenschaften mit einem Çay optimiert.

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Leider zwang uns die starke Erkältung meines Mannes früher als geplant ins Hotel zurück. Das Gurgeln im Flieger mit einem Raki hatte nur bedingt geholfen.

Ausgeruht, fieberfrei und nach ausgiebigem Frühstück machten wir uns erneut auf den Weg. Diesmal wollten wir den Topkapipalast und diverse Moscheen besuchen. Mein Vorschlag, uns sportlich zu betätigen und deshalb auf dubiose Taxidienste zu verzichten, wurde angenommen.

Wir marschierten also zielorientiert durch die Gegend. Das Überqueren der Straßen erforderte zwar eine gewisse, suizide Voraussetzung. Wir haben den Kampf mit den Zwei- und Vierrädern zum Glück heil überstanden.

Es gab enorm viel zu sehen. Leute, Tiere, Gebäude, Autos. Meinem wachsamen Auge entging deshalb auch das Runterfallen der Bürste eines Schuhputzers nicht. Meine Höflichkeit rief den davonschlurfenden Schuhputzer zurück und drückte ihm die Bürste in die Hand. Wie der sich gefreut hat! “Allah sei Dank”, rief er aus, während er meinem verdutzten Gatten und mir die Hand küsste. Ali wäre sein Name und wie wir uns nennen würden, wollte er wissen. Und weil er sich so sehr über die wiedergefundene Bürste freute, putze er unaufgefordert und ziemlich schlampig die Schuhe meines Mannes. Auch vor meinen Turnschuhen machte er keinen Halt und bohnerte auch diese. Derweil erklärte er uns, dass er von Allah mit 5 Kindern gesegnet sei, wovon eines leider ‘kaputte’ Augen hätte. Daher müsse er für seinen Schuhputzservice 19 Lira pro Person verlangen. Meine Intervention stieß auf taube Ohren. Schlussendlich haben wir dem Gauner 15 türkische Lira in die Hand gedrückt und sind zähneknirschend davongezottelt. Ich bin mir nicht sicher, ob sich Allah über diesen abzockenden Laienschauspieler freut. Wir jedenfalls tun’s nicht.

Der Tag verlief ansonsten positiv. Wir erfreuten uns über das Wetter, das uns keinen Regen beschert hat, über das gute Essen, den Granatapfelsaft (der zwar für uns 10 Lira statt 5 gekostet hat) und die schönen Moscheen. Als Rehabilitierung des türkischen Geschäftsmannes muss ich allerdings noch folgendes vermerken: Ein Taxifahrer hat uns abgeraten, ein etwas weiter entferntes Restaurant zu beehren. Die Fahrt dahin sei viel zu teuer. Bereitwillig zeigte er uns, wo sich das andere Restaurant befand, das wir als Alternative in der Nähe ausgesucht hatten. Dies war zu Fuß bestens erreichbar. Mit einem Lächeln und ohne Verdienst verabschiedete sich der Taxifahrer. Sowas gibt es also auch in Istanbul!

Istanbul, die Stadt der Gegensätze. Dort wo Europa auf Asien triff und dort, wo wir nun auf der Galata Brücke über dem Bosporus stehen. Glücklich und erfüllt von vielen, verschiedenen Eindrücken. Ein schöner Grund, sich zu küssen.